Du bist endlich am Einstieg angekommen und freust Dich tierisch auf die freie Natur. Oben strahlt der blaue Himmel, links und rechts duften die Bäume, die Luft erfrischt. Du schaust auf den Weg voran, siehst die nächste Kurve und denkst: oh, jetzt müsste ich mal kurz hinter die Büsche.
Du suchst nach einer passenden Stelle, an der man schnell verschwinden kann. Findest eine, schlägst die Richtung ein und siehst: grell leuchtende weiße Flecken. Hm, hier war schon jemand, und nicht nur einer. Ok. Drehst Dich zum Weg und suchst weiter. Langsam wird es dringender. Nächste Stelle: schon wieder Klopapier oder anderer Zellstoff.
Und so weiter und so weiter.
Ja, es ist eklig! Es nervt! Es verdirbt die gute Laune. Vor allem, wenn es ewig so weitergeht. Und das tut es: Klopapier, Taschentücher, Küchentücher, Feuchttücher. So genau nicht immer zweifelsfrei identifizierbar. Entstehen so humane Koprolith-Lagerstätten, mag man sich fragen…
Aber hej, das geht auch anders und bleibt vor allem spannend: Anleitung zum spurlosen Geschäftsgang draußen in der Natur.
Optimum und Notlösung
In Kanada befinden sich an den Einstiegen der Trails oft hölzerne Toilettenhäuschen – diese unbedingt nutzen.
Des weiteren gibt es in größeren Abständen entlang der Wanderwege Backcountry-Campingplätze, in dessen Umkreis sich Sanitäre Einrichtungen befinden, stets in gebührendem Abstand zu Essens- und Schlafplätzen. In der Regel sind sie im Banff Nationalpark überdacht und im Jasper Nationalpark Open Air. Auch diese können wunderbar für kurze Zeit besetzt werden.
Sollten diese Optionen nicht ausreichen, folgen hier Tipps & Tricks für die freie Wildbahn.
Nimm ein Feuerzeug mit und verbrenne den Zellstoff soweit es geht – natürlich ohne Wildbrände auszulösen.
Eine kleine Vertiefung mit dem Fuß ausheben und anschließend alles zu bedecken bzw. zu verbuddeln ist absolut sinnvoll. Aber leider werden Leckerbissen – für andere Lebewesen mit Sicherheit – teilweise wieder ausgegraben und das Papier flattert im Wind…
Deshalb: auf Zellstoff wird verzichtet und die tolle Landschaft nicht vernichtet.
Allgemein
Unten im Tal besteht tendenziell die größte Vielfalt und Masse an angebotenen Putzmaterialien und die Natur kann biologische Abfälle besser kompostieren.Deshalb ist es ratsam, in diesen Bergregionen alles Überschüsse loszuwerden.
Am besten sucht man sich einen Platz und schaut sich um: ist direkt am Platz genügend Material vorhanden oder wächst alles ein paar Meter weiter? Dann schnappt man sich Material und hockt sich anschließend gemütlich hin, alles griffbereit. Im Anschluss so hinterlassen, dass niemand ausversehen hineintritt – klar.
Laubwald – das Paradies
Am Allerweichesten ist Moos, je feuchter umso besser. Des Weiteren funktionieren natürlich Blätter hervorragend. Doch nicht jedes Blatt ist gleich – man bedenke die Unterschiede. Zum einen die Größe der Blätter: je größer, umso effektiver. Falls nur schmale, kleine Blättchen wachsen, müssen es halt mehr sein, die man zum Bündel packt – logisch.
Zum anderen entscheidet die Beschaffenheit der Oberfläche über die Ablaufgeschwindigkeit und Haftungsstärke. Super glatte Blätter sind ungünstig, weil das gelassene Wasser dann extrem schnell abläuft, ggf. dahin, wo man es nicht möchte – unangenehm. Zudem haftet nichts, also auch das nicht, was man gerne von sich abgerieben haben möchte. Deshalb eignen sich Blätter mit rauer Oberfläche besser. Das ist meist die Unterseite.
Sollten Blätter minimale Dornen haben, wie Brombeerblätter beispielsweise, dann einfach auf die Richtung achten, vorsichtig sein und schon leisten sie einen prima Dienst.
Nadelwald – Richtungsweisend
Sowohl benadelte Zweige als auch Zapfen eignen sich hervorragend. Man muss sich lediglich etwas konzentrieren und auf die Streichrichtung achten.
Verständlicherweise liegen Tannenzweige sanfter in der Hand und nehmen durch die breiten und weniger spitzen Nadeln etwas mehr mit. Fichten bieten zwar auch Zweige, die durchaus ihren Zweck diesbezüglich erfüllen. Sie spenden aber vor allem tonnenweise Zapfen, die sie im Gegenzug zur Tanne auf dem Waldboden abwerfen. So geht die Reserve nie aus.
Abgefallene Rindenstücke können zur Entfernung etwas hartnäckigerer Restbestände wunderbar verwendet werden.
Egal, welche Koniferenarten im jeweiligen Wald gedeihen, es findet sich immer etwas Nützliches. Douglasienzapfen beispielsweise finde ich wunderschön.
Die Wiese – tückische Duftnote
In hochgewachsenen Wiesen kann man sich nicht nur leicht zurückziehen, man ist quasi umringt mit reichlichem und duftendem Verwöhn-Rohstoff. Büschelweise gerupft und anschließend auf die passende Größe gefaltet wirken Gras und Heu mit den vielen Leerräumen und Grasrändern wie eine angenehme leichte Bürste.
Doch aufgepasst mit Schneidegras! Geht, aber ganz langsam und vorsichtig streichen. Ebenso gilt die Achtsamkeit den Millionen kleinen Lebewesen des Geotops: Man möchte ja nicht unbedingt von einer Ameise oder anderen Insekten an den empfindlichsten Stellen gepiesackt werden.
Subalpine Stufe – kleine Herausforderung
Auffallender Weise findet man hier bereits weniger Zellstoff in der Landschaft. Warum nur?
Nun denn: hat man ein lauschiges Plätzchen hinter einem großen Stein oder im Latschengestrüpp gesichtet, geht es an die Materialwahl. Das Angebot wird spärlicher und vor allem widerspenstiger. Kein Wunder bei dem rauen Klima.
Wieder: man nehme was man findet. Das können kleine Latschenästchen sein, büschelweise strohiges Kurzgras oder Zweige vom Buschwerk. Doch so allmählich werden die Materialien aus der alpinen Zone ebenfalls interessant.
Alpine Stufe – erfrischend
Die Auswahl beschränkt sich auf Steine und Schnee: beides hat seinen Reiz.
Die Suche nach der passenden Form und Größe der Steine fördert sowohl die Kreativität als auch das räumliche Wahrnehmungsvermögen. Je nach Region wirklich nicht immer ganz einfach, aber möglich und irgendwie witzig, wenn man es zum ersten Mal probiert!
Unabhängig vom Reinigungsmittel ist es wichtig, im Gelände auf einen sicheren „Stand“ in der Hocke zu achten. Nicht, dass man dabei ausrutscht und sich so verletzt, dass Verunreinigungen in die Wunde treten. Ist einigen Unglücksraben leider schon passiert. Und das heißt: sofort ab zum Arzt, um eine Blutvergiftung zu vermeiden.
Nun zu Schnee & Eis. Ja, es ist kalt. Doch, es tut sogar ganz gut.
Ganz ehrlich: selbst im Tiefland nehme ich super gern Schnee nach frischem Schneefall. Eine handvoll Schnee leicht zum kleinen Klumpen formen – nicht zu fest, sondern locker. Durch die Kratzigkeit erzielt Schnee einen tollen Abrieb und kühlt angenehm. Natürlich nicht zu langsam hantieren, sonst wird’s definitiv zu kalt! Auch Firn eignet sich noch, ist aber behutsam anzuwenden.
Ergo: nimm was Du findest, mach das Beste daraus und lass allen Zellstoff locker Zuhaus!
Es ist mir ein echtes Anliegen.
Vor etlichen Jahren hab ich mich daran gewöhnt und weiß, dass es am Anfang wirklich komisch ist. Aber es macht Spaß die verschiedenen Texturen auszuprobieren und den Ort unverschandelt zu verlassen. Unsere Hinterlassenschaften werden eh so schnell von Mikroorganismen und Käfern zersetzt, im Gegensatz zu Taschen- Küchen- und Feuchttüchern.
Deshalb bitte bitte einfach mal ausprobieren, testen und Spaß haben!
Weiterführende Infos
Tiefergehende Kenntnisse vermitten diverse Bücher, u.a.:
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- ‚How to Shit in the Woods‘ der thematische Klassiker vom Conrad-Stein Verlag
- ‚Soft Path‘ von NOLS (National Outdoor Leadership School), der sich dem gesamten Thema der Ethik des „Leave no Trace“ praktisch und ausführlich widmet